Zum Schluss stellte Jürgen Grässlin schon sein neues Buchprojekt vor und entließ die rund 40 Teilnehmer an seiner Lesung optimistisch nach Hause. Es wird ein Mutmach-Buch, das er zusammen mit dem Musiker Konstantin Wecker schreiben wird.
Am Montagabend hatten die VHS Coesfeld und die Friedensinitiative Nottuln (FI) zu einer Lesung im Rahmen ihrer Reihe „Lust auf Zukunft“ eingeladen. Jürgen Grässlin, Friedenskämpfer und Optimist aus Freiburg, stellte sein neues Buch vor, seine Biografie „Einschüchterung zwecklos – was ein Einzelner bewegen kann“. Bewegt schilderte Grässlin seinen Weg zum absoluten Pazifisten. Immer wieder las er dabei Passagen aus seinem Buch vor. Dann wieder lockere Erzählungen, unterlegt mit Fotos von Begebenheiten, die seinen Weg begleiteten. Als junger Soldat der Bundeswehr wurde er zum Schießtraining befohlen. Der Befehl: „Heute üben wir das Kopfschießen auf Chinesen.“ Dies sei sein erstes Schlüsselerlebnis gewesen. Grässlin: „Es öffnete mir die Augen. Kriegsvorbereitungen und Kriegseinsatz, das geht nicht mit mir.“ Nach der Weigerung, sich weiter an der Schusswaffe ausbilden zu lassen, wurde Grässlin als „untauglich“ entlassen und konnte sein Lehramtsstudium weiter fortsetzen. Seine erste Stelle brachte ihn in die Nähe von Oberndorf. Dort ist das Unternehmen „Heckler & Koch“ beheimatet, die große deutsche Waffenschmiede für Kleinwaffen. Berühmt wurde die Firma durch ihr G-3-Gewehr. Grässlins spätere Recherchen ergaben, dass zwischen 10 und 15 Millionen Exemplare dieses deutschen Gewehrs auf dem Globus vorhanden sind und töten. Noch größere Umlaufzahlen hat nur das Kalaschnikow-Gewehr. Grässlin: „Diese Kleinwaffen sind die eigentlichen Massenvernichtungswaffen. 80 bis 90 Prozent aller Kriegstoten gehen auf diese Gewehre zurück.“ Dies sei sein zweites Schlüsselerlebnis gewesen und Grässlin beschloss, sich mit ganzer Kraft gegen die Produktion und den Export dieser Waffen zu engagieren. Dass er dieses sehr erfolgreich tat, zeigten seine zahlreichen Aktionen und Kampagnen. Zwei Beispiele: 2010 klagte Grässlin erfolgreich gegen Heckler & Koch wegen illegal erfolgter Lieferung von G-36-Gewehren in verbotene Unruheprovinzen Mexikos. 2014 wieder eine Klage. Diesmal gegen SIG Sauer wegen illegaler Exporte von 38 000 Pistolen ins Bürgerkriegsland Kolumbien. Wieder war Grässlin erfolgreich. In zahlreichen Büchern veröffentlichte Grässlin die Skandale deutscher Waffenproduzenten. Einige Bücher wurden Beststeller. So auch das Buch „Versteck dich, wenn sie schießen“. Für dieses Buch reiste Grässlin um die Welt und interviewte Opfer des deutschen G-3-Gewehres. Zum Teil schwer verdauliche Lektüre. Für das Filmprojekt „Meister des Todes“ mit Regisseur Daniel Harrich, das 2015 in der ARD lief, erhielt Grässlin den Grimme-Preis. Der Film ist noch heute in der Mediathek der ARD. Sehr bewegt sei sein Leben bisher gewesen, so Grässlin. Die vielen Erfolge und auch die vielen kleinen Aktionen und Demonstrationen – immer mit vielen friedensbewegten Menschen zusammen – hätten ihn zu einem mutigen und optimistisch gestimmten Menschen werden lassen. Dazu beigetragen hätte seine ganze Lebenssituation – als Lehrer, als Gewerkschaftler und vor allem als Familienmensch. Zusammen mit seiner Frau Eva habe er zwei Kinder und mittlerweile vier Enkelkinder. Immer wieder besuchen alle zusammen das Fußballstadion und fiebern mit dem SC Freiburg.
Schon jetzt beschäftigt Grässlin sich mit seinem neuen Buch, interviewt und biografiert Menschen, die in ihrem Umfeld zukunftsfähig wirken und viele weitere Menschen anstecken. Jürgen Grässlin: „Das macht schon jetzt etwas mit mir. Mehr und mehr komme ich von dem Negativen wie Krieg und Gewalt weg und richte meinen Blick auf das Positive, auf die Kraft des Guten. Es gibt so viele Menschen, die Gutes tun und bewirken. Sie sind die Mehrheit. Lasst uns gemeinsam eine positive Welt aufbauen!“ Der Vortrag wurde mitgeschnitten und kann Anfang Dezember über die Seite der FI nachgeschaut werden: www.fi-nottuln.de
Unermüdlich gegen Krieg und Gewalt – was ein Einzelner bewegen kann
Lesung und Gespräch mit dem Autor Jürgen Grässlin, Freiburg
Was kann man erreichen, dass sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zum Besseren ändern? Man wird aktiv – mit unbeirrbarer Entschlossenheit, allen Widerständen zum Trotz. Jürgen Grässlin ist Aktivist, Friedenskämpfer, Optimist – vor allem aber ein hartnäckiger Stachel im Fleisch der Rüstungsindustrie. Seit Jahrzehnten setzt er sich erfolgreich gegen den weltweiten Waffenhandel ein. Seine Mittel sind entlarvende Recherchen, gezielte Kampagnen, Demonstrationen und Gerichtsprozesse. Sein Lebenswerk und seine Erfolge sind Inspiration für alle, die etwas bewirken wollen, sei es für Menschenrechte, Gerechtigkeit, Umweltschutz oder den Frieden.
Jürgen Grässlin zählt seit vielen Jahren zu den profiliertesten Rüstungsgegnern Deutschlands. Er ist Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«, Bundessprecher der Deutschen
Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), der Kritischen AktionärInnen Daimler und Heckler & Koch sowie Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.). Als Autor verfasste er zahlreiche kritische Sachbücher über Rüstungsexporte sowie Militär- und Wirtschaftspolitik, darunter internationale Bestseller. Grässlin wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, so auch mit dem »Aachener Friedenspreis«.
»Wer bin ich schon, dass ich den Lauf der Welt nachhaltig zum Guten beeinflussen könnte? Ein Einzelner ist doch machtlos. Wir sind allenfalls eine kleine Gruppe Gleichgesinnter. Wir sind machtlos! Wer so denkt, wer angesichts der durchaus dramatischen Lage auf dem Globus passiv bleibt, der macht es der Gegenseite allzu leicht. Denn genau so wollen sie uns doch haben, die Profiteure der Kriege und Ausbeutung, der Ungleichverteilung und Ungerechtigkeit. Genügsam und gehorsam, still und schweigend. Der Behauptung, wir könnten nichts bewirken, widerspreche ich vehement! Mit der Erfahrung meines Lebens stimme ich vielmehr der Ethnologin Margaret Mead zu: „Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen die Welt verändern kann.“ Denn tatsachlich ist ›dies die einzige Art und Weise, in der die Welt jemals verändert wurde. Was zählt, ist nicht nur die große Revolution, oftmals sind es auch die kleinen Schritte vieler Menschen in die richtige Richtung.« Jürgen Grässlin im SPIEGEL
Montag, 20. November 2023 | 19.30 Uhr
Nottuln | Alte Amtmannei |Joseph-Moehlen-Platz 1
Abendkasse 5 Euro