„Für Friedensfähigkeit, Abrüstung und für eine neue europäische Sicherheitsarchitektur“ gingen 75 Bürgerinnen und Bürger Ostermontag in Dülmen auf die Straße
Kreis Coesfeld. Es gab auch sehr leise und berührende Momente auf dem diesjährigen Ostermarsch der Friedensgruppen im Kreis Coesfeld. Nicht nur Friedenslieder und politische Forderungen hallten am Ostermontag in Dülmen durch die Straßen, als 75 Friedensdemonstranten dort „marschierten“. Erzählt wurden auch ganz persönliche Familiengeschichten aus dem Zweiten Weltkrieg. So berichtete Sonja Crämer-Gembalczyk, Rosendahl, von ihrem Vater, der mit 17 Soldat werden musste und der mit Rommel nach Afrika ging. Er wäre – so erzählte man ihr – ein lebenslustiger, verschmitzter junger Mann gewesen. In Afrika lernte er den Krieg kennen und verließ die Wehrmacht dort, „verpisste“ (Crämer-Gembalczyk) sich und kam in französische Gefangenschaft. Das hätte ihn das Leben gerettet. So kam er wohlbehalten nach dem Krieg wieder nach Hause. Aber er war ein anderer Mann geworden. Die Leichtigkeit und Lebensfreude waren dahin. Sonja Crämer-Gembalczyk: „Als kleines Mädchen spürte ich: Mein Papa hat eine dicke, fetter Mauer um sich, die kaum durchdringbar ist. Nur manchmal flackte die alte Lebenslust noch mal auf. Oft war er nicht zu ertragen.“ Auch Robert Hülsbusch, Friedensinitiative Nottuln, berichtete im Rahmen seiner Rede auf der Abschlusskundgebung des Ostermarsches im EinsA in Dülmen von den Kriegserlebnissen seiner Familie. Seine Mutter hätte Zeit ihres Lebens immer Angst gehabt, dass was Schlimmes passiert. Diese Angst hatte sie im Krieg gelernt, Angst um ihre Brüder, die Soldaten waren und Angst um ihr eigenes Leben. Während der Kartoffelernte wurde sie von alliierten Flugzeugen angegriffen. Diese kreisten über sie, machten mit den Bordkanonen Jagd auf sie. Nur ein todesängstlicher Sprung in den Graben rettete ihr Leben. Hülsbusch: „Bis zum letzten Atemzug hat meine Mutter von dem ‚verdammten Krieg’ gesprochen.“ Dies hätte schon früh eine grundtiefe Abneigung gegen Krieg und Militär bei ihm bewirkt. Die Verweigerung des Kriegsdienstes Anfang der 1970er Jahre war da nur folgerichtig – und ein lebenslanges Engagement für Frieden und gegen jede Art von Militär und Aufrüstung. Beim Auftakt hatte Dr. Penelope Glenn, Sprecherin der Friedensfreunde Dülmen, auf die gegenwärtigen Bestrebungen einer massiven Aufrüstung hingewiesen. Dabei schlug Glenn auch den Bogen zum Klimawandel. Militär und Krieg seien große Klimakiller. Unmengen von CO2 würden emittiert. All dies sei bekannt und dennoch würde eine gigantische Aufrüstung weltweit geplant – „mehr Waffen, mehr Krieg, mehr Kriegstüchtigkeit“. Dennoch sei sie optimistisch. Glenn: „Neben all den schlimmen Nachrichten erlebe ich, dass zunehmend viele Menschen unterwegs sind, sich melden, sich zusammentun, um etwas zu bewirken. Ich erlebe Solidarität in Veranstaltungen gegen rechts, ich erlebe, dass junge Menschen sich mehr und öffentlich einbringen, um ihre Zukunft zu sichern. Ich erlebe ihren Mut, ihre Kreativität und ihre Entschlossenheit, sich für eine lebenswerte Welt einzusetzen!“ Das mache Hoffnung. Glenn: „Wir haben nur diese eine Welt. Wollen wir, dass diese Erde noch am Ende des Jahrhunderts bewohnbar ist, können wir uns keine Kriege mehr leisten!“ Und so forderten die Ostermarschierer in Dülmen die Rückkehr zu einer europäischen Sicherheitsarchitektur mit allen europäischen Ländern – auch mit Russland. Eine neue Entspannungs- und Rüstungskontrollpolitik und neue Abrüstungsverträge seien notwendig. „Diplomatie statt militärischer Abschreckung!“ hieß es auch auf Transparenten. Der Ostermarsch endete mit einem gemütlichen Picknick. Engagement für den Frieden kann auch etwas für das Herz und für den Gaumen sein. Im nächsten Jahr wollen alle wiederkommen.
Eine Videodokumentation steht auf dem YouTube-Kanal der Friedensinitiative Nottuln und kann auch über deren Homepage aufgerufen werden. www.fi-nottuln.de
Foto: Klaus Stegemann und Sibylle Arians (mit Gitarre) sangen Friedenslieder. Margret Boch (gelbe Weste) forderte die Mayor for Peace im Kreis Coesfeld auf, noch engagierter sich für die Abschaffung der Atomwaffen einzusetzen.