
Den Einsatz in Mali schnell beenden. Krieg gegen den Terror ist gescheitert. Eine andere Sicherheitspolitik ist nötig!
30. Vortrag von Andreas Zumach bei der FI Nottuln – Videokonferenz mit fast 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Nottuln. „In keinem einzigen Fall wurden die proklamierten Ziele im sogenannten Krieg gegen den Terror erreicht. Und schon gar nicht eine nachhaltige Befriedung der jeweiligen Konflikte durch Überwindung ihrer politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder anderweitigen Ursachen.“ Eine vernichtende Kritik stand am Ende der Analyse von Andreas Zumach, Journalist und Autor zahlreicher Bücher. Die Friedensinitiative Nottuln (FI) hatte den Experten für internationale Politik zum 30. Mal nun schon eingeladen. Angesichts der Corona-Krise fand die Veranstaltung per Videokonferenz statt. 96 Bürgerinnen und Bürger nahmen teil – Nottulner, aber auch viele aus der ganzen Bundesrepublik.
„Stabilisierung, Frieden, Wiederaufbau, Demokratie, Rechtsstaat, Menschen- und Frauenrechte“ – mit ähnlichen und teilweise noch weiterreichenden Zielsetzungen wurden fast alle Militärinterventionen und Kriege seit Ende des Ost-West-Konfliktes und insbesondere seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 Jahre begründet, so Zumach. Sei es in Tschetschenien, Afghanistan, Somalia, Irak und nun in Mali. Ohne Erfolg. In einigen Fällen wirkten die militärischen Interventionen sogar kontraproduktiv und führten statt zur angestrebten Schwächung oder gar Vernichtung der jeweils bekämpften Gruppierungen zu ihrer Stärkung. So jetzt in Afghanistan, wo die Bundeswehr 20 Jahre lang im Einsatz war. Ausführlich ging Zumach auf die Ursachen und Krisen in den Ländern Nordafrikas und im Nahen und Mittleren Osten ein. Beeindruckend zeichnete er einen „Krisenbogen“, der von Marokko über die ganzen Maghreb-Staaten Nordafrikas bis nach Ägypten geht und dann weiter über den Nahen und Mittleren Osten bis nach Afghanistan und Pakistan reicht. Zumach: „Die meisten Gewaltkonflikte nach 1945 fanden hier statt.“ Hier seien die meisten „gescheiteten Staaten“. 95 Prozent aller Terroranschläge fänden in diesem „Krisenbogen“ statt. 95 Prozent der Opfer seien Muslime. Fast alle Flüchtlinge auf der Welt kommen aus dieser Krisenregion. Und warum? Zumach: „Unsere Geschichte holt uns nun ein. Es fliegen uns nun 300 Jahre europäische und osmanische Kolonialgeschichte um die Ohren!“ Auch aufgrund dieser Kolonialherrschaft hätten die Staaten dieser Krisenregion nicht die Grundstabilität erreicht, die in den westlichen Industriestaaten der Leben der Menschen sicher und demokratisch gemacht hätten. Der Aufbau nationaler Identitäten, die Einigung über zwischenstaatliche Grenzen und die Entwicklung einer sozioökonomischen Grundsicherung der Menschen – diese Errungenschaften des Westens müssten die Staaten im Krisenbogen dringend und schnell nachholen. Das sei nur mit westlicher Hilfe möglich – nicht mit Krieg und Militär. Und nun drohe nach der Niederlage in und nach dem Abzug des Westens aus Afghanistan auch in Mali ein Desaster. Zumach: „Die Intervention Frankreichs hat das größte Rekrutierungspotenzial für die radikalislamischen und potenziell terrorbereiten Gruppierungen in ganz Nordwestafrika.“ Dass sich die Bundeswehr daran beteilige, sei falsch und würde – wie in Afghanistan – nicht erfolgreich enden. Schon jetzt werde in der Bundespolitik die Kritik laut. Und eine Mandatsverlängerung der Bundeswehr würde kontrovers diskutiert. Der Putsch in Mali und auch der von den neuen Machthabern angeforderter Einsatz der berüchtigten Söldner der Wagner-Truppe machten das Land weiter unsicher und den Einsatz deutscher Soldaten sehr gefährlich. Zu befürchten seien auch tödliche Anschläge und Angriffe auf die deutschen Soldaten. Das Mandat sollte nicht verlängert werden. Eine neue Außenpolitik sei notwendig, die die Krisenstaaten langfristig eine Entwicklung wie im Westen ermöglicht. Das wäre eine große Aufgabe. Zumach: „Und im Moment muss der Westen alles tun, damit in Afghanistan in diesem Winter nicht die Menschen verhungern.“ Humanitäre Überlebenshilfe sei nötig, ohne diese an Bedingungen zu knüpfen.