Eine philosophische Spurensuche mit Prof. Dr. Michael Quante
Ein überaus anregender Vortrag über die Voraussetzungen eines rationalen Diskurses
Nottuln. „Die Menschenrechte als unverzichtbare Freiheitsrechte einerseits, Solidarität als die alltägliche Verantwortung für globales Handeln andererseits, das sind die Leitlinien, die das Erreichen von Fortschritt für mich ausmachen.“ In der Diskussion nach dem Vortrag wurde dann der Wissenschaftler auch persönlich. Zu der letzten Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Lust auf Zukunft“ hatten die VHS Coesfeld und die Friedensinitiative Nottuln (FI) am Montagabend Dr. Dres. h.c. Michael Quante ins Forum des Rupert-Neudeck-Gymnasiums eingeladen, Professor für Praktische Philosophie, Sprecher des Centrums für Bioethik an der Universität Münster sowie Prorektor für Internationales und Transfer der Universität. Das Thema seines Vortrags: „Ist Fortschritt immer eine kluge und ethisch gute Sache?“ Eine Stunde lang klärte der Philosoph sehr akribisch, gleichzeitig auch angenehm anschaulich die vielen Aspekte des Begriffes „Fortschritt“. Auf dieser Grundlage näherte sich Dr. Quante einer Beantwortung der Frage nach der Bewertung von Fortschritt: „Fortschritt – das heißt für mich, eine Gesellschaft anzustreben, die die Opfer und die Schwachen im Blick hat und nicht in erster Linie die Starken. Eine Gesellschaft, in der man solidarische Ziele gemeinsam festgelegt und die Verantwortung auch in einer Weltgesellschaft übernimmt. Zugegeben ein politischer Traum. Und dennoch würde ich für diese Idee eines sozialdemokratischen Humanismus kämpfen – so z.B. für eine gerechte Bildungspolitik und für eine gerechte Gesundheits- und Sozialpolitik.“
Leidenschaftlich plädierte Dr. Quante für die Auseinandersetzung in der Gesellschaft, für einen rationalen Diskurs, der Verständigung möglich macht und Gräben überwinden kann. Dieser rationale Diskurs gelinge aber nur, wenn vor der Diskussion, wenn vor jedem Gespräch eine Reihe von Fragen geklärt werden. Zum Beispiel: Über den Fortschritt von „Was“ oder von „Wem“ rede ich? Von welchem Verständnis von Evolution gehe ich aus? Suche ich eine Erklärung für oder den Sinn von Fortschritt? Erlebe ich mich als Subjekt (Gestalter, Beherrscher) oder Objekt (Opfer, Marionette) des Fortschritts? Dazu könne die Philosophie wertvolle Beiträge liefern, Begriffsklärungen und Orientierung und so eine rationale Diskussion ermöglichen. Wer den genauen Prozess dieser Klärung nachvollziehen möchte, kann sich den Vortrag über den YouTube-Kanal der Friedensinitiative Nottuln oder über deren Internetseite in Ruhe anhören und ansehen. Immer wieder verstand es der Referent, konkrete Beispiele zu Fragen des Fortschritts einzubauen: Ist KI im Unterricht Fortschritt? Sind kleine moderne Atommeiler ein Fortschritt? Ist unsere fortschrittliche Gesellschaft höherwertig als die der Steinzeit? Wie halten wir es mit der Gentechnik? Und auch Krankheit kann fortschreiten. Immer noch gut und ethisch? Und wer gestaltet den Fortschritt? Oder sind wir dem hilflos ausgeliefert? Stoff genug für ein intensives und anregendes Gespräch nach dem Vortrag. Immer auf der Suche nach einem rationalen Diskurs, der auch für die Gesprächskultur ein Fortschritt ist und Gemeinsamkeiten in den Vordergrund rückt und ermöglicht, Spaltungen in der Gesellschaft zu überwinden. Wie notwendig das ist, zeigen die gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Und schon vor vielen Jahren formulierte es der Dichter Erich Fried so: „Wer will, dass die Welt bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt.“
Die Idee des Fortschritts
Eine philosophische Spurensuche mit Prof. Dr. Michael Quante

Nottuln. „Ist Fortschritt immer eine kluge und ethisch gute Sache?“ Mit dieser Fragestellung setzen die VHS Coesfeld und die Friedensinitiative Nottuln (FI) am Montag, den 9. Dezember 2024 um 19.30 Uhr im Forum des Rupert-Neudeck-Gymnasiums ihre Reihe „Lust auf Zukunft!“ fort. Es ist zugleich der letzte Abend in der diesjährigen Veranstaltungssequenz.
Eingeladen haben die Veranstalter wieder einmal Professor Dr. Dres. h.c. Michael Quante. Der Referent ist Professor für Praktische Philosophie, Sprecher des Centrums für Bioethik an der Universität Münster sowie Prorektor für Internationales und Transfer der WWU.
Glaubt man dem Eintrag in Wikipedia, dann meint „Fortschritt (…) grundlegende Verbesserungen durch bedeutende Veränderungen bestehender Zustände oder Abläufe in menschlichen Gesellschaften. Gegenbegriffe wären etwa „Rückschritt“ oder „Stillstand“. Schränkt man Fortschritt auf menschliche Handlungen ein, geht es um „Innovation“ im Sinne willentlicher und gezielter Veränderungen. Prof. Quante: „So betrachtet scheint Fortschritt immer eine kluge und ethisch gute Sache zu sein. Der Glaube an den Fortschritt ist sicher ein Kernbestand der westlichen Moderne. Doch stimmt das wirklich? Ist jeder Fortschritt gut?“
Und weiter: „Ist der Glaube an den Fortschritt klug und ethisch angemessen? Oder letzterer vielmehr ein Teil unserer aktuellen Probleme und Krisen?“
In dem Vortrag soll der Berechtigung und den Grenzen des Fortschrittsglaubens anhand einer philosophischen Spurensuche nachgegangen werden. Sie wird die verschieden Fortschrittsbegriffe in ihren Kontexten aufspüren. Das doppelte Ziel ist es, Orientierung in unübersichtlichem Gelände zu gewinnen und eine aus Sicht der philosophischen Ethik begründete Haltung gegenüber den Veränderungen der Gegenwart zu skizzieren.
Die Hauptarbeitsgebiete des Philosophen Dr. Quante sind der Deutsche Idealismus (insbesondere Hegel und Marx), die Philosophie der Person, Ethik und biomedizinische Ethik. Seine zahlreichen Arbeiten sind in mehrere Sprachen übersetzt worden. Zu dem Vortrag mit anschließendem Gespräch sind alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen. Der Eintritt kostet 5 Euro.
Foto: Schon zum dritten Mal beteiligt sich Prof. Dr. Quante an der VHS/FI-Reihe „Lust auf Zukunft“ und bereichert mit philosophischen Aspekten das Nachdenken über unsere Zukunft.